Unser Konrad Trockenbrot, urkundlich erwähnt 1281 im Vogtland, war ein freier Bauer auf einem ganzen Bauergut mit 30 bis 35 ha in Oelsnitz, also ein durchaus nicht armer Mann. Was ein ganzes Bauerngut 1281 war und wie ich das aus der Urkunde ableiten kann, können Sie unter dem Menüpunkt Urkunde 1281 nachlesen. Geht man davon aus, dass damals die Menschen in ihren Stand hineingeboren wurden und ihn zeitlebens nicht verließen, so werden auch Konrads Vater und Großvater Bauern gewesen sein. Vielleicht waren sie oder er gezwungen durch die reale Erbteilung im Mainfränkischen die Heimat zu verlassen. Das Erbrecht in Mainfranken damals sah vor, den Hof unter die Kinder aufzuteilen, d.h. die Parzellen wurden immer kleiner, und irgendwann konnte man nicht mehr davon leben. Im Vogtland gab es den Landesausbau (Rodung und Neuansiedlung). Auch hier verweise ich auf meine Ausführungen unter Urkunde 1281.
Wie kann es da zu einem Übernamen "für einen kärglich Lebenden, der nur trockenes Brot ißt" kommen? Auch die Druckenbrots aus Konstanz und dem Hegau im 14. und 15. Jahrhundert waren keine armen Leute. Hier müssen Sie meine Listen abwarten. Alle diese frühen Namensnachweise scheinen diese Namensdeutung zu widerlegen. Doch vor einer abschließenden Namensdeutung hier eine kleine Auswahl möglicher Bedeutungen. Ich fand sie in Förstermanns Altdeutschem Namenbuch III. Auflage Bd.1 von 1913 (Jellinghaus).
DRUHTI
Dieser Stamm, in Personennamen nur anlautend gebraucht, gehört zum gotischen "drauht" und altnordischen = "Volk". Im Althochdeutschen hat sich davon nur das abgeleitete "truhtin" = Herr (siehe Truchsess) erhalten. Doch bewahren die Namen die Bedeutung des Stammwortes auf.
DROGO
Dieses althochdeutsche Wort ist verwandt mit dem gotischen "driugan" und dem angelsächsischen "dreogan" = Bewaffneter, Ritter. Prof. Truckenbrodt (TH München) nennt auch ein althochdeutsches "truho" = Held, wobei das "h" wie "ch" gesprochen wird, ähnlich dem Schweizerdeutsch.
DRUH
Althochdeutsch "druh, druch, thruch, druoh" = Falle für wilde Tiere und für Fische oder auch Fußfessel.
DRUCKAN
Althochdeutsch "druckan" = trocken
DRUCKE
Das niederdeutsche Wort "Drucke" bedeutet Truhe.
DRUG
Das slawische "drug" = Stamm (altslawisch = Genosse) ist als Wurzel auch nicht auszuschließen.
BORD
Das altnordische "bordh" oder das angelsächsische "bord" bedeutet Schild.
BROD
Dieses Wort könnte mit dem althochdeutschen "prodi = Schwäche, Hinfälligkeit" zusammenhängen, nach einer bei der Geburt von Kindern hervortretenden Eigenschaft.
BROT
Ursprünglich bedeutete "brot" das mit Bierhefe hergestellte gesäuerte Brot, später im Mittelhochdeutschen, also zu Zeiten Konrads, übernahm es auch die Bedeutung von "laib = ungesäuertes Brot".
BRORD
Prof. Truckenbrod TH München nennt noch ein althochdeutsches "brord =
Speer".
Man könnte nun beim Namen "Trockenbrot" an eine Verballhornung eines oder beider Namensteile denken. Ein "truhobrord = Speerheld" wäre doch zu schön für eine Familiengeschichte. Eine solche Deutung scheint mir aber völlig abwegig.
Der zeitliche Abstand zwischen Namensentstehung und der ersten urkundlichen Erwähnung 1281 ist zu gering, als das die Sprachentwicklung die Worte so verändern könnte. Warum sollte man zur Namensbildung althochdeutsche Worte benutzen, die zu jener Zeit wohl kaum noch jemand gekannt hat? |
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Warum sollte sich der Name nach 100 bis 200 Jahren bis zur Unkenntlichkeit verändern, um dann 700 Jahre keine wesentliche Veränderung zu erfahren ? Und für eine Entstehung des Namens in Niederdeutschland gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Es bleibt also dabei "Trockenbrot bzw. Truckenbrot" setzt sich aus den Wortteilen "trocken" und "brot" zusammen. Der erste Namensträger erhielt ihn als Übernamen, heute würde man sagen Spitznamen. Er war ein kärglich Lebender, ein Mann, der zur Verwunderung seiner Mitmenschen, nur oder oft trockenes Brot aß. Bei einem armen Menschen oder einer Person niederen Standes wäre dies aber keine hervorzuhebende Eigenschaft gewesen. "Trockenbrot" ist also sicher nicht Ausdruck eines niederen sozialen Status.
Knechte, Mägde und Hörige besaßen noch bis ins 15. Jahrhundert hinein meist nur den Rufnamen. Unser erster Namensträger "Trockenbrot" muss für seine Umwelt, bezogen auf seinen Stand, geradezu auffällig ärmlich gelebt haben. War es doch zu damaliger Zeit höfisch-ritterliche Tischsitte das Fleisch auf Brotscheiben bzw. Brotfladen zu servieren. Das Brot ließ man für die Hunde bzw. die Dienerschaft oder die Armen vor der Tür übrig.
Fragt man sich, welchem deutschen Stamm die bürgerliche Tugend der Sparsamkeit zugeschrieben wird, kommt man sofort auf die tüchtigen Schwaben.. Nach Adolf Bach "Geschicht der deutschen Sprache" Seite 115 ist "trocken" ein oberdeutsches Wort, das zur Stauferzeit bestimmt noch nicht bis ins Coburger Land vorgedrungen war, zumindest nicht im allgemeinen Sprachgebrauch. Wir dürfen die Urheimat der Truckenbrodts also nicht länger im ostfränkisch-thüringischem Grenzgebiet suchen. Die Urheimat liegt am Oberrhein im Zentrum des Stauferlandes.
Der Übername "Trockenbrot" kann nur dort entstanden sein, wo dieses Wort auch umgangssprachlich gebraucht wurde. Berücksichtigt man noch, dass die Sitte der Familiennamen im 8./9. Jahrhundert in der Stadtkultur Oberitaliens entstanden ist, um dann im 10./11. Jahrhundert über die romanische Schweiz im 12 Jahrhundert Oberdeutschland zu erreichen, lässt sich folgern, dass unser erster Namensträger um das Jahr 1100 in einer Stadt am Oberrhein als "alemannischer Geiznickel" gelebt hat.
Wie und warum aber kamen die Truckenbrodts ins Coburger Land ? Rufen wir uns einmal die frühesten Truckenbrodtnachweise ins Gedächtnis im 13.Jahrhundert im Vogtland, im 14. Jahrhundert in Speyer, im 15. Jahrhundert in Konstanz und im Hegau, im 15./16. Jahrhundert in Eisfeld. Es sind dies alles Interessengebiete der staufischen Reichsland- und Territorialpolitik im 11./12. und 13. Jahrhundert. Das "Kernreich" der Staufer lag in der wirtschaftlich und kulturell weit fortgeschrittenen oberrheinischen Tiefebene. Von hier aus zogen die Kraftlinien ihrer Politik über die alten Königslandschaften an Rhein und Main in den mitteldeutschen Osten und mündeten dort in einem Brennpunkt des alten Reichslandblocks im Fichtel- und Erzgebirge. Die Staufer gründeten zahlreiche Städte und Burgen, setzten auf Rodungsland freie Bauern zu besonders günstigen Bedingungen an. Das Aufblühen von Handel und Wandel, die große Zahl der notwendigen Beamten in Pfalzen, Festen, Burgen und Städten und die Ostkolonisation setzten eine bedeutende Binnenwanderung in Gang und zwar den Rhein hinauf, den Main entlang bis in den slawischen Osten. Auch Oberfranken war damals noch sehr slawisch geprägt. Ich bin der festen Überzeugung, die Truckenbrodts kamen in der Stauferzeit von Oberdeutschland den Main herauf ins Coburger Land und ins Vogtland.
Ausgewandert sind aber nur diejenigen, die sich eine wirtschaftliche Verbesserung versprachen, also Nachgeborene. Der soziale Status war anfangs sicher gering, deswegen hat man wohl bisher keine urkundlichen Nachweise in Mainfranken vor 1500 gefunden. Unser Konrad ist hier eine Ausnahme. Die oben schon erwähnte reale Erbteilung mag auch einen sozialen Aufstieg verhindert haben. Die am Oberrhein zurückgebliebenen Truckenbrodts hingegen tauchen in den Urkunden auf, weil sie wohlhabend waren.
Ob nun die Familie unseres Konrad Truckenbrodt direkt vom Oberrhein ins Vogtland gekommen ist, oder zunächst in Ostfranken gesiedelt hat und dann einer der Söhne weitergezogen ist, muss offen bleiben.
Ich fasse zusammen: Die genealogische Quellenlage, historische und soziale Betrachtungen der Stauferzeit und sprachwissenschaftliche Überlegungen sprechen für eine Namensentstehung am Oberrhein.
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