Analysieren und beleuchten wir unsere Urkunde weiter. Wo lag das Gut des Konrad Trockenbrot? Wie groß war es? Wann sind er oder seine Vorfahren ins Vogtland gekommen?
Hierbei lassen wir uns vom lateinischen Original der Urkunde leiten, weil ich glaube, dass sie Ludwig nicht immer ganz glücklich übersetzt hat. Der lateinische Text "bona sita in Olsnitzt in vico, qui ducit in villam, que dicitur Rachsowe" wird übersetzt mit "Güter in Ölsnitz, die in der nach dem Dorf Raschau führenden Siedlung liegen". Wie kann eine Siedlung zu einem Dorf führen? In Langenscheidts Lateinischem Taschenwörterbuch werden für das Wort "vicus" folgende Übersetzungen angeboten:
1.a) Dorf; b) Gehöft, Bauernhof; 2.a) Stadtviertel; b) Straße, Gasse
Man übersetzt also besser "Güter in Ölsnitz, die an der nach dem Dorf Raschau führenden Straße liegen". Raschau lag nun aber damals etwa 2 - 3 km nordwestlich von Ölsnitz an der Weißen Elster, heute ist es Stadtgebiet. Konrad Trockenbrots Gut müssen wir also im Nordwesten des Stadtgebiets von Ölsnitz vermutlich an der Weißen Elster suchen.
Mißverständlich ist auch, das Wort "homines" mit Vasallen zu übersetzen. Ist doch "Vasall" ein Begriff, der auf ein echtes Lehen hindeutet. Hier handelt es sich aber eindeutig um ein Zinslehen. Besser man setzt für "Vasallen" das Wort "Lehnsleute" ein. Um noch etwas mehr über Konrad und sein Gut zu erfahren, müssen wir uns mit den allgemeinen Umständen der Kolonisation im Vogtland beschäftigen.
Betrachtet man die oben schon angesprochene Gründungsurkunde der Kirche St. Johannis zu Plauen von 1122, so sieht man fast ausschließlich slawische Bach- und Ortsnamen zur Beschreibung des Kirchenbezirks verwendet. Deutsche Siedlungen dürften zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden haben. Deutschtum beschränkte sich auf die deutschen ritterlichen Dienstmannen im Gefolge der Lehnsherren des Landes. Es waren die Burgmannen des militärischen Mittelpunktes des Gaus, des alten festen Schlosses Plauen. Einige dieser Burgmannen werden, wie es im Egerland oder anderen Kolonisationsgebieten urkundlich nachzuweisen ist, begonnen haben, sich im Altsiedelgebiet der Sorben, der Freilandschaft zwischen Plauen und Ölsnitz, Vorwerke (= Rittergüter) aufzubauen. Der eigentliche Landesausbau und damit der Zuzug der Deutschen begann erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts und vollzog sich in 3 Stufen.
Zunächst siedelte man deutsche Bauern in schon bestehenden, also slawischen Dörfern, an. Danach gründete man, wo noch Platz im Altsiedlungsland war, kleine deutsche Dörfer. Erst im dritten Stadium schritt man zu großzügigen Rodungen weiter Waldstrecken. Bis etwa 1220 war die ostdeutsche Kolonisation im Vogtland im wesentlichen abgeschlossen.
Konrad hatte sein Gut in Ölsnitz, einem ursprünglich slawischen Ort, seine Vorfahren dürften also mit der ersten Siedlerwelle ins Land gekommen sein. Bei vorsichtiger Rechnung dürfte die Familie Konrads schon in 3. oder 4. Generation in Ölsnitz ansässig sein. Wie groß war nun das Bauerngut des Konrad Trockenbrot?
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Hier kann uns vielleicht die Angabe des Zinses weiterhelfen. Zwei Mark Silbers entsprechen 40 Schilling oder 480 Silberpfennigen. Unter der Voraussetzung die drei in der Urkunde angesprochenen Güter sind in etwa gleich groß, kommen auf auf ein Gut 13 Schilling und 4 Pfennige an Zins. Vergleicht man diese Angabe mit anderen Zinszahlungen jener Zeit, so lässt sich in etwa auf die Größe schließen. So findet sich im Urkundenbuch des Hochstifts Naumburg (1925), Nr. 391, S.350, im Einkünfteverzeichnis der Propstei der Zeitzer Stiftskirche von 1196, dass die 15 Hufen des Dorfes Göthewitz 77 Schilling und 6 Pfennige zinsen, neben einigen Naturalzinsen. Auf eine Hufe entfallen hier 5 Schilling und 2-3 Pfennige. Im Dorf Döbris zinst ein Gerhard, neben 2 Gebind Garn und 2 Hühnern, für seine Hufe mit 8 Schilling; ein Alart zinst für seine Hufe 6 Schilling und 5 Pfennig, dabei ist der Naturalzins so wie bei Gerhard.
Den Zins für eine Hufe in der Mark Zeitz, zu der das Vogtland ja gehört, können wir, neben einigen Naturalzinsen, demnach zwischen 6 und 8 Schilling annehmen. Berücksichtigen wir, dass Kolonisten zu besonders günstigen Bedingungen ins Land geholt wurden, können wir mit Recht folgern, dass Konrad ein Zinslehen von 2 Hufen besaß. Hufe sei hier nur als Größenangabe verstanden, eine Hufeneinteilung der Flur lässt sich im Vogtland nicht nachweisen. Nimmt man die Hufengröße zu 30 Acker = 16,6 ha, wie sie sich im mitteldeutschen Kolonisationsgebiet meistens darstellt, so hat das Gut Konrad Trockenbrots eine Größe zwischen 30 ha und 35 ha. Wie Leipoldt gezeigt hat (Die Geschichte der ostdeutschen Kolonisation im Vogtland von Dr. Johannes Leipoldt, Plauen 1927), ist dies aber eine im Vogtland häufig vorkommende Größe für sogenannte "ganze Bauerngüter".
Aus der Zinsangabe "zwei Mark Silbers" lässt sich aber noch Anderes folgern. Es handelt sich hier wohl um einen sogenannten fixierten Zehnt, einen Zehnt, der unabhängig vom Ertrag des Hofes erhoben wurde. Ein solcher Zehnt war typisch für die frühen Kolonisten. Ihnen gewährte man nach einigen Freijahren das Privileg eines relativ niedrigen fixierten Zehnts. Von allen übrigen Abgaben und Diensten waren sie befreit. In diesem wirtschaftlichen Privileg drückt sich auch die rechtliche Freiheit der Kolonisten aus. So hatten die fränkischen Siedler von Taubenheim, Sora, Ullendorf und Hasela (Mark Meißen) das Recht, ihre Streitsachen vor einem eigenen, vom Grundherrn unabhängigen, genossenschaftlichen Gericht auszutragen.
Unser Konrad Trockenbrot war demnach ein freier Bauer auf einem ganzen Bauergut mit 30 bis 35 ha in Oelsnitz. Man muss es heute im Nordwesten der Stadt an der Weißen Elster suchen. Konrad war also durchaus kein armer Mann. Geht man davon aus, dass damals die Menschen in ihren Stand hineingeboren wurden und ihn zeitlebens nicht verließen, so werden auch Konrads Vater und Großvater Bauern gewesen sein. Vielleicht war der Ahne durch die reale Erbteilung im Mainfränkischen gezwungen die Heimat zu verlassen. Wie kann es da zu einem "Übernamen" für einen kärglich Lebenden, der nur trockenes Brot ißt, kommen? Wenn Sie diese Frage interessiert, dann folgen Sie im Hauptmenü dem Link Namensdeutung. Dort werde ich versuchen die Frage zu beantworten. |