Beim Bau der Befestigungsanlagen in Wittenberg hatte der Reformator großen Verdruß. Die Mauern kamen ihm zu dicht an Haus und Garten heran. So schrieb er Ende 1541 einen deftigen Brief an Friedrich von der Grüne, dem Churfürstlichen Zeugmeister und Festungsingenieur:
Mein lieber Zeugmeister,
Ihr wißt, daß Euch von meinem gnädigen Herrn verboten ist, mir zu nahe oder zu Schaden zu bauen. Nun fahret Ihr zu aus eigenem Streit und Frevel und verschüttet mit das Mittelgemach bis zum Gitterwerk, was Euch ohne Zweifel, da es gegen den Befehl des gnädigen Herrn und gegen meine Einwilligung geht, der Teufel anbefohlen hat. Wie es denn jedermann spürt und öffentlich schreibt, daß es Euch nicht um Euern Bau, sondern um das Haus zu tun ist, mich hinauszunötigen und kurfürstlichen Brief und Siegel in den Dreck zu treten. Demnach ist's mein Wille, Ihr wollet bald nach Erhalt dieser Schrift denselbigen Schutt von dem anderen Gemach wieder fortführen, denn ich will ihn dort nicht leiden, da habt ihr Euch nach zu richten. Desgleichen will ich mein Brautor, daß Ihr zu meinem Verdruß mit Steinen verdorben habt, wieder von Euch ausgebessert haben, auch von Euch versichert sein, daß der Schutt mir nicht die Mauer einstoße. Werdet Ihr solches nicht tun, so will ich mir von Euch als einen gottlosen Knecht nicht nehmen lassen, was ein christlicher Fürst gegeben, versiegelt und verbrieft hat, und wills alles meinem Herrn anzeigen.
Denn des sollt Ihr gewiß sein, daß ich für Euern verfluchten Bau, mit dem Ihr meinem gnädigsten Herrn den Beutel räumt, auch nicht ein Haar breit räumen will. Und hiermit Gott befohlen, der Euch bekehre und anders mache, da Ihr sonst binnen kurzem im Abgrund der Hölle wäret. Das aber will ich Euch nicht wünschen und hätt' auch sonst solch Schreiben an Euch nicht gelassen. Damit ich aber vor Gott entschuldigt sei und Ihr eure Sünde und Boßheit selbst tragen müsst, so sollt Ihr hiermit verwarnt sein. Es sind schon viel größere Teufel und Tyrannen gewesen als Ihr, die sind aber alle dahin und haben die Sonne am Himmel stehen lassen.
Martinus Luther
Wenn man den Brief richtig liest, droht Luther dem Baumeisterlein mit Höllenqualen. Wenn es nur heutzutage auch so leicht wäre.
Die Familie fand Entspannung bei häufigen Wanderungen. Oft wanderten sie viele Wegstunden singend und scherzend in die Annaburger Heide. Rast wurde dann beim Pastor Stiefel in Annaburg gehalten, den besonders in der Kirschenzeit viele kleine Gäste gerne aufsuchten. Kürzere Spaziergänge führten zu den Kirchspielen der näheren Umgebung. Die Wälder am Wege waren dort, wo die Axt nicht hingefunden hatte, mit ihren alten Stämmen wild zum Urwald gewachsen. Katharina trug stets den Korb voll mit Getränken und Verpflegung bei sich, um den anderen nicht zur Last zu fallen. Auf dem Heimweg war dann dieser Korb mit Pilzen und Beeren gefüllt.
Im Januar 1542 war das letzte große Fest im Lutherhaus. Die Enkelin von Luthers Schwester, Hanna Strauß, feierte Hochzeit mit Magister Heinrich von Kölleda. Hierzu erbat sich der Reformator von den befreundeten Anhalter Fürstenbrüdern in Dessau etwas Wildbret, was in Wittenberg kaum zu erhalten war. In Form eines Wildschweines traf dieses zusammen mit vielen anderen Hochzeitsgeschenken auch rechtzeitig ein. Ebenso fehlte es nicht an Frankenwein und dem Fäßlein Bier aus Jüterborg, der Heimat des Bräutigams.
'Früh aufstehen und jung freien', sagte Luther von der Ehe. Er unterstützte manches junge Paar, die sich einander fürs Leben versprochen haben und als Unterpfand hierfür eine Münze oder Ringe austauschten. Diese 'Ringehe'war ein Relikt aus katholischer Zeit. Jedoch sollten sich die jungen Leute nicht in 'der ersten Hitze' und plötzlich freien, damit die Kinder, für Martin Luther in jeder Ehe selbstverständlich, auch in beständiger Familien-gemeinschaft aufwachsen und erzogen werden können. In diesem Sinne wurden seine Kinder und Pflegekinder, die das an die Enkel weitergaben, erzogen.
Hänschen Luther mit seiner Mutter und seiner Schwester Elisabeth, die auf dem Schoß einer Verwandten oder Freundin ihrer Mutter sitzt, beim Gottesdienst
Im Herbst kam große Trauer ins Lutherhaus. Die 14-jährige Tochter Magdalena verstarb am 26. September 1542 nach nur kurzer Krankheit. Sie wurde auf dem Friedhof vor dem Elstertor beerdigt. Dann hatte Katharina großen Schmerz, als ihre beste Freundin Käthe, die Frau von Justus Jonas, der Stiftsprobst in Halle war, verstorben ist.
Aber auch Martin Luther wurde in diesem Jahr öfters von leichter Krankheit befallen, so dass der Hausarzt, Augustin Schurff, ein Verwandter von Melanchthon, sehr oft in das Schwarze Kloster gerufen werden musste. Durch seine Krankheiten sah sich der Reformator veranlasst sein Testament zu machen. Martin Luther mißachtete die damaligen Rechtsregeln, wonach die selig nachgelassene Hausfrau nur Anspruch auf einen Stuhl und ein Spinnrad hat. So diktierte er seinen letzten Willen Bugenhagen. Melanchthon und Caspar Cruziger haben das Testament gegengezeichnet. Dazu meinte Luther: 'Ihm selbsten mußte mann mehr zuglauben, dann keinem Notario, sintemalen Er Gottes Notarius und Zeuge sey in seinem Evangelio, hätte auch seine Ursache dazu gehabt, daß er juristische Form und Wörter nicht gebraucht.'
Im Testament setzt Luther nun seine Käthe zur alleinigen Erbin aller beweglichen und unbeweglichen Habe ein, damit sie nicht den Kindern in die Hände, sondern diese hingegen in die ihrigen blicken müssen, solange sie unverheiratet ist und das Gut mit den gemeinsamen Kindern teilt.
Gegen die Tätigkeiten der Juristen hatte Luther offensichtlich eine tiefe Abneigung. Schon in frühen Jahren sagte er zu seinem Sohn Martin, wenn du solltest ein Jurist werden, so wollt ich Dich an den Galgen hängen. In seinen Tischreden bekamen die Juristen immer wieder einmal ihr Fett weg. Hier nur zwei kurze Beispiele:
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Ein Jurist muß haben ein stählen Kopf, silbern Beutel, bleien Ars.
Da des andern Tages einer sollte zum Doktor in Rechten promoviert werden, sagte D. Martinus: Morgen wird ein neue Otter wider die Theologen gemacht werden.
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Martin Luther
Auch seinen Sohn Johannes stellte der Vater zur Rede, ob er nicht etwa Neigung hätte Jura zu studieren und fügte hinzu:
'Wo ich wüßte, daß Du wolltest ein Jurist werden und wir wiederum nach Wittenberg kämen, wollte ich Dich über die Elbbrücken in die Elbe stürzen, ertrinken lassen und auch nicht zweifeln, ich wolle diese Sünde eher gegen Gott vertreten, als ließe ich Dich wider meinen Willen Jurist und Schalk werden'.
So nahm Johannes 1543 vor allem das Studium in Artibus in Wittenberg auf. Seine beiden Brüder Martin und Paul machten bei Melanchthon und Vitus Winsheim Fortschritte im lateinischen und griechischen Unterricht. Über Paul berichtete der Präceptor Rutfeld aber dem Vater, er sei in Musik gut, doch in Grammatik schlecht.
Die Tochter Margarethe übte sich weiter in der Wirtschaftsführung und Beackerung der zwei Hufen (ca. 35 ha) großen Familiengärten. Zwei Hufen oder ca. 35 ha sind im Osten Deutschlands die Größe eines vollen Bauerngutes. Bei den Gärten dürfte es sich vielfach schon um kleine Felder gehandelt haben.
Ihr Vater versuchte Margarethe auch in der Haushaltsrechnung zu belehren. Dabei brachte Luther heraus, dass er alleine für Semmeln im Jahr 31 Groschen und 4 Pfennige und noch 4 Pfennige für den Trank täglich benötige, also jedes Jahr alleine für die Küche 500 Gulden, geschweige für alles Andere, wo sich seine Besoldung doch nur auf insgesamt 200 Gulden jährlich beläuft. So resigniert Luther:
'...Ich mag niemehr rechnen, es macht einen gar verdrossen; hätte nicht gemeint, daß auf einen Menschen soviel gehen sollte'.
Demnach war Mathematik auch nicht sein Lieblingsfach.
In Wittenberg wurden die Spannungen zwischen der Stadt und den Studenten noch größer, wodurch sich die Versorgung auf dem Markt weiter verschlechterte. Luther war froh, in Nürnberg gute Freunde zu haben, die mit allerlei Besorgungen helfen konnten. Es waren dies seine früheren Ordensbrüder der Abt Friedrich Becker, Wenceslaus Link sowie auch Veit Dietrich, der nach seiner Übersiedlung von Wittenberg in Nürnberg Pfarrer an der Sebalduskirche wurde. Mit dem alten 'Buhlen' von Katharina, Hieronymus Baumgärtner, Ratsherr in Nürnberg, blieb ebenso eine sehr herzliche Freundschaft erhalten.
Vor Ostern 1544 zog wieder eine schwere Krankheit ins Schwarze Kloster. Alle Kinder haben die Pocken, Margarethe anschließend noch das Fieber.
Luther fühlte sich jetzt in Wittenberg noch weniger wohl, so dass es ihn drängte fort zu ziehen. Die Freunde konnten ihn jedoch umstimmen. Der Andrang der Studenten brachte nicht nur brave Lernwillige nach Wittenberg, sondern auch allerlei Volk, das seinen Nutzen daraus ziehen wollte. Auch die Einwohner beuteten die Studenten aus und weibliches Gesindel zog durch die Stadt. In Wittenberg waren nicht nur die deutschen Stämme vertreten, sondern auch Reußen und Preußen, Wenden und Winden, Walen und Schweden, Böhmen und Polen, Ungarn, alle zog es nach hier, Dr. Luthers Lehren zu hören.
1545 durfte der älteste Sohn Johannes zum ersten Mal seinen Vater auf einer Reise nach Mansfeld begleiten. Er war auch dabei, als Luther zusammen mit Cruziger über Löbnitz nach Zeitz fuhr. Dort waren sie mit Bischof Amsdorf verabredet, um einen Streit zwischen den Geistlichen Mohr und Medler beizulegen. Von Leipzig aus schreibt Luther seiner lieben Käthe, wie gut er in Löbnitz von Ernst von Schönfeld und in Leipzig noch viel schöner von Heinz Scherle gehalten wurde. Er wolle nicht mehr nach Wittenberg zurückkehren, auf Zülsdorf bleiben, dort das Gütlein bessern und die letzten Jahre verbringen. Von Zeitz aus ging der Reformator wegen der Bitte des Fürsten Georg noch nach Merseburg. Den drohenden Brief aber zeigte Frau Käthe dem Kanzler Brück. Hierauf erklärte Melanchthon, dann auch nicht mehr in Wittenberg bleiben zu wollen.
Alle Wittenberger, Rat, Bürgerschaft und insbesondere die Universität waren zutiefst erschrocken. Was wäre die Stadt ohne Luther? Die Regierung versprach ernstliche Maßnahmen gegen das Unwesen in Wittenberg. Außerdem schickten sie Melanchthon, Bugenhagen, Major und den Drucker Hans Lufft, der jetzt Stadtrichter war, nach Merseburg. Martin Luther ließ sich beruhigen und kehrte zurück.
Auf Wunsch des Grafen Mansfeld entschloß sich Luther im Januar 1546 nach Eisleben zu reisen. Er wollte dort an den Schlichtungsverhandlungen teilnehmen. Auf dieser Reise begleiteten ihn seine drei Söhne Johannes, Paul und Martin. Wegen des Hochwassers auf der Saale wurden sie 4 Tage in Halle aufgehalten, von wo aus nun Justus Jonas mit ihnen reiste. Johannes Luther reiste weiter nach Mansfeld zu seinem Onkel Jacob. Martin und Paul blieben beim Vater in Eisleben.
Am 17. Februar wird Luther von großem Unwohlsein befallen, worauf er die Abendtafel vorzeitig verlassen muss. Justus Jonas und Graf Albrecht von Mansfeld bemühen sich um sein Wohl, der Arzt Aurifaber versorgt den Reformator mit Arznei. Doch am nächsten Tag verstirbt Luther ohne Schmerzen und in Frieden.
Zu Eisleben wurde die Leiche in einem zinnernen Sarg in der Andreaskirche aufgebahrt und von zehn Bürgern bewacht. Unter Begleitung des ganzen gräflichen Hauses, sowie der Beteiligung der Bevölkerung wurde sie in die Frauenkirche nach Halle überführt. Durch Bitterfeld kam der Sarg dann, von 65 gerüsteten Pferden flankiert, nach Wittenberg. Dort wurde er von der ganzen Universität und der Bürgerschaft traurig erwartet und in die Schloßkirche geleitet. Die Söhne Paul und Martin, sowie Johannes kehrten mit dem toten Vater nach Wittenberg zurück. Mit ihnen kamen die Verwandten aus Mansfeld; der Bruder Jacob und der Neffe des Reformators Cyriak Kaufmann waren dabei. Katharina erwartete den Trauerzug mit ihrer Tochter Margareta vor der Stadt, von wo aus Melanchthon, Bugenhagen, Kanzler Brück, der Bürgermeister Cranach, Cruziger, sowie alle Professoren und Doktoren den Leichenwagen gemeinsam durch die Stadt geleiteten. Unter dem Predigtstuhl der Schloßkirche wurde der mit schwarzem Tuch behängte Sarg abgestellt. Hier fand Martin Luther seine letzte Ruhestätte. Die Gedächtnisrede hielt der alte und langjährige Freund des Toten, Philipp Melanchthon, von Dr. Pommer wurde die Begräbnispredigt gehalten.
Fortsetzung mit Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe von qoqa.de
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