Die Familie "von Vogtsberg" urkundet zum ersten Mal unter diesem Namen im Jahr 1248 und zum letzten Mal im Jahr 1322. Sie hatten sich aus dem Geschlecht derer "von Straßberg" abgezweigt. Eine ausführliche Geschichte von Schloß und Amt Vogtsberg findet sich in der Arbeit von Dr. Curt von Raab, veröffentlicht in den Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen im Vogtland Band 18 in Plauen 1907. Im Wesentlichen stütze ich mich auf seine Ausführungen.
Im Jahre 1122 bestätigte Bischof Dietrich von Naumburg die in "unserer" Urkunde angesprochene Kirche St. Johannis in Plauen als Neugründung. Zu jener Zeit finden wir als Herren in Plauen die niedersächsischen Grafen von Eberstein. Sie hatten reichen Lehenbesitz im Gau Dobena (= später Vogtland), ohne jedoch alleiniger Besitzer des ganzen Gaues zu sein. Die Ebersteiner trugen ihre Gebiete von den Landgrafen zu Thüringen und letztere vom Kaiser zu Lehen.
Noch im 12. Jahrhundert gaben sie ihren Besitz im Dobenagau an die Reichsministerialen "von Straßberg" und "von Weida" weiter zu Lehen.
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Die Straßberger hatten ihren Stammsitz in dem Dorfe Straßberg, drei Kilometer südwestlich von Plauen an der Weißen Elster gelegen.
Die Herren und späteren Vögte von Weida (bzw. Gera und Plauen nach der Verzweigung) entstammen einem nordthüringischem Ministerialengeschlecht. Sie nannten sich nach einem "Wide" (= Weida), das, gelegen zwischen Windeberg und Kaiserhagen, nordöstlich von Mühlhausen im Eichsfeld, heute eine Wüstung ist. Im Weiteren werde ich zeigen, dass das Vogtland seinen Namen nach den Vögten von Weida trägt.
Beide Familien führten die Bezeichnung "Vogt", welche sich aus dem lateinischen Wort "advocatus" ableitet. Bevor wir uns aber weiter den Vögten von Weida und den Vögten von Straßberg widmen, seien die verfassungsrechtlichen Begriffe des Mittelalters "Lehen", "Reichsministerialer" und "Vogt" kurz erläutert. Ohne Kenntnis dieser Begriffe scheint mir das Nachfolgende nur schwer verständlich. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass der Inhalt dieser Begriffe im Laufe von Jahrhunderten deutscher Kaiserzeit einem politischen Wandel unterlegen ist. Ich versuche den Zustand zur Stauferzeit, d.h. im 12./13. Jahrhundert wiederzugeben. |
Lehen hängt mit dem Wort "leihen" zusammen. Ein Lehen ist ein Leihegut, meistens Land oder ein öffentliches Amt, dessen Empfang zu ritterlichem Kriegsdienst und zu Treue verpflichtet. Es ist zu unterscheiden vom Eigengut (= Allod) und vom bäuerlichen bzw. städtischen Leihe- und Zinsgut.
Der Lehnsmann (Lehensnehmer) schuldete dem Lehnsherrn (Lehensgeber) Dienst (Heerfahrt) und der Lehnsherr schuldete dem Lehnsmann Schutz. Im 12. Jahrhundert wurde in Deutschland die ganze soziale Ordnung nach den Prinzipien des Lehnsrechts durchgegliedert.
Anfangs fiel das Lehen beim Tode des Verleihenden oder des Beliehenen zurück, doch setzte sich bald die Erblichkeit der Lehen durch. Der "Heimfall" eines Lehens gab es also nur noch, wenn der Beliehene ohne Erben starb. Zur Stauferzeit hatte sich das Lehensrecht soweit entwickelt, dass zumindest für den König bzw. Kaiser bei Heimfall eines Lehens ein Leihezwang bestand. Er musste binnen Jahresfrist das heimgefallene Lehen wieder vergeben.
Sichtbarer Ausdruck der Lehens- und Standesverhältnisse in Deutschland war die "Heerschildordnung". Ursprünglich das Recht, die Vasallen (= Beliehene-Belehnte) militärisch aufzubieten und sie zu befehligen, verstand man im 12. Jahrhundert darunter die Rangordnung in der Lehenshierarchie.
Die 7 Schilde nach dem Schwabenspiegel (= ein Rechtsbuch) sind:
1. König
2. Geistliche Fürsten
3. Weltliche Fürsten
4. Freiherren
5. Mittelfreie (freie Ritter und Grundbesitzer)
6. Ministeriale
7. Sonstige Ritterbürtige
Die 7 Schilde nach dem Sachsenspiegel (= auch ein Rechtsbuch) sind:
1. König
2. Geistliche Fürsten
3. Weltliche Fürsten
4. Grafen und Freiherrn
5. die schöffenbar Freien und Ministerialen
6. die Mannen der vorigen
7. die übrigen rittermäßigen Leute
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Niemand durfte ohne Standesminderung ein Lehen von Schildgenossen nehmen. Eine Ausnahme bildeten hiervon nur die Kirchenlehen des Königs und der weltlichen Fürsten. Ihre Annahme bedeutete keine Rangminderung, galten sie doch letztlich als aus der Hand des Kaisers. An der Spitze der Lehenspyramide stand der König (Kaiser), er hatte Vasallen, ohne selbst Vasall zu sein. Geradezu naturgesetzlich schien es, dass die Lehensnehmer immer wieder mit Erfolg versuchten, wenn es das politische Umfeld erlaubte, ihren lehnsrechtlichen Verpflichtungen zu entgehen, die Bindungen an den Lehnsherrn zu lockern, ja wenn möglich das Lehensgut in Eigengut umzuwandeln.
Die Macht des Königs beruhte auf dem Umfang seines Eigengutes und auf dem sogenannten Königsgut. Er konnte davon nicht beliebig viel verleihen ohne seine Machtbasis und die seines Hauses zu schmälern. Andererseits konnte er freie Männer für ihre Heeresfolge nur mit Landleihe, also einem Lehen entlohnen. Eine Lösung schienen hier unfreie Königsknechte zu bieten. Sie waren nicht lehensfähig. Diese unfreien Dienstmannen oder Ministerialen, heute würde man Beamte sagen, schienen die ideale Lösung für Kriegsdienst und Verwaltung. Entlohnt wurden sie durch Dienstlehen, die nur so lange genutzt werden konnten, als dafür Dienst geleistet wurde.
Die Dienstmannen des Königs (Kaisers) waren die Reichsministerialen. Aber auch Fürsten und kleinere Herren hatten eine Dienstmannschaft und damit Ministeriale. So ein Ministerialer durfte sein Dienstlehen nicht weiter verleihen oder nur innerhalb des Kreises der Dienstmannschaft des gleichen Herrn. Das rittermäßige Leben und ihr politischer Einfluß führte zum sozialen Aufstieg der Ministerialen. Sie erreichten die Erblichkeit ihrer Dienstlehen und die Aufnahme in die Heerschildordnung.
Der Unterschied zwischen Dienstlehen und echten Lehen begann sich in der Stauferzeit zu verwischen. Schließlich erlangten die Ministerialen die Fähigkeit von fremden Herren echte Lehen zu empfangen. Damit gingen sie aber Treueverpflichtungen ein, die sehr schnell in Konflikt mit der Gehorsamspflicht gegenüber ihrem Dienstherrn kommen konnten. So wuchs die Ministerialität immer mehr mit der alten adligen Oberschicht zusammen. Die Nachkommen bildeten später den niederen Adel. Einigen Geschlechtern gelang sogar ein weiterer sozialer Aufstieg, z.B. den Vögten von Weida. Sie erreichten den Fürstenstand. Das Fürstenhaus Reuß, so nannten sich ihre Nachfahren, regierten in Greiz und Schleiz bis 1918. |
Zum ersten Male begegnet uns urkundlich ein Erkenbert von Weida im Gefolge des Grafen Adalbert von Eberstein 1122, anlässlich der Stiftung der Kirche St. Johannis zu Plauen ( = Kirche in unserer Urkunde) durch den Bischof von Naumburg. 30 Jahre später erscheinen sie in Lehensurkunden des sächsischen Herzogs Heinrich des Löwen, des großen Gegenspielers Kaiser Friedrich Barbarossas. Sie waren Ministerialen des Welfenherzogs.
Heinrich der Löwe, ein Vetter Kaiser Friedrich Barbarossas, war als treuester Lehnsmann des Kaisers mit den Herzogtümern Sachsen und Bayern belehnt, nach dem Kaiser also der mächtigste Mann im Reich. Diese Macht versuchte er ständig auszubauen, auch als im Jahr 1176 der Kaiser von ihm, sogar mit Fußfall, Hilfe für seinen 5. Italienzug erbat. Heinrich der Löwe verlangte dafür die Abtretung der wichtigen Reichsstadt Goslar, was Friedrich Barbarossa ablehnte. Nach Lehensrecht war zwar Heinrich nicht zur Heeresfolge verpflichtet, da ein allgemeines Aufgebot für diesen Italienzug nicht ergangen war, aber es bestand eine moralische Pflicht zur Hilfeleistung. Hatte doch der Kaiser in den Auseinandersetzungen Heinrichs mit seinen Gegnern immer zu seinem Vetter gehalten.
Es war der Anlass und der Beginn ihrer Entfremdung. Hinzu kam, dass überall im Reich die staufische und welfische Territorialpolitik aufeinander stießen. Es ging um die Macht im Reich. Im Jahr 1177 flammten die Kämpfe zwischen Heinrich und seinen sächsischen Gegnern wieder auf. Beide Parteien klagten vor dem Kaiser. Hatte dieser früher vermittelt, ließ er jetzt dem Rechtsverfahren seinen Lauf. Nach Landrecht lud er den Herzog 1179 nach Worms. Dieser erschien nicht und bekam durch die Reichsfürsten bei weiterer Rechtsverweigerung die Reichsacht angedroht. Neuen Ladungen folgte Heinrich der Löwe ebenfalls nicht und so wurde 1179 auf dem Reichstag in Magdeburg über ihn die Reichsacht verhängt.
Die Kämpfe in Sachsen gingen weiter. Gleichzeitig eröffnete der Kaiser ein 2. lehensrechtliches Verfahren gegen Heinrich wegen Nichachtung der kaiserlichen Majestät durch die Nichtbefolgung der Ladungen. Auch in diesem Verfahren folgte Heinrich drei Ladungen nicht. So wurden ihm 1180 zu Würzburg durch Spruch der Fürsten seine Reichslehen aberkannt.
Sie werden sich fragen, was hat der welfisch-staufische Gegensatz mit den Vögten von Weida zu tun. Die Weidaer hatten sich in den Kämpfen zunächst den Welfen angeschlossen, so kam es ihnen als Ministeriale auch zu. Nach der Ächtung und der Zerschlagung der welfischen Machtbasis wechselten sie die Seiten und schlossen sich den Staufern an. Da sie sich infolge dessen in ihren bisherigen Lehnsgütern im Eichsfelde, die als Eigengüter nach Lehensrecht Heinrich dem Löwen nicht genommen werden konnten, nicht mehr zu halten vermochten, andererseits aber nach ihrem Anschluss an den Kaiser auf Entschädigung hoffen durften, zogen sie sich nach Verlust dieser Gebiete aus Nordthüringen zurück.
Nun hatten sie im Elstergebiet, in der Nähe von Zwickau und im Pleißner Land noch einigen Besitz. Für den Kaiser lag es also nahe sie dort auf Dauer anzusiedeln, zumal die Mark Zeitz immer noch Grenzgebiet zu den Slawen war und er dort tüchtige administrative Geschlechter nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung hatte. Woher kam dieser Besitz?
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Der Weidaer Erkenbert II. hatte die Erbtochter des letzten Pfalzgrafen von Sachsen um 1160 geheiratet. Es war üblich, dass der Kaiser bzw. der Lehensherr bei erledigten Lehen (Heimfall) den Erbtöchtern ihren Gemahl bestimmte. Dies wird man auch bei den Weidaern anzunehmen haben. Jedenfalls heiratete Erkenbert II. jene Erbtochter Jordana und bekam als Gemahl das erledigte Lehen Weida (hieß damals noch anders), nicht als Dienstlehen, sondern als richtiges Lehen aufgetragen. Ich darf daran erinnern, dass Erkenbert II. 1160 noch Ministerialer von Heinrich dem Löwen war und der staufisch-welfische Gegensatz erst 1176 aufgebrochen war.
Nach strengem Recht hätte Erkenbert II. als Ministerialer ein solches Lehen von dritter Hand gar nicht erhalten können. Aber die Gunst des Kaisers, er war als kaiserlicher Gesandter schon in dieser Gegend tätig gewesen, und der allgemeine Aufstieg der Ministerialität, machten es möglich. Gingen doch auch schon viele kleinere adlige Herren freiwillig in die Ministerialität, weil sie sich davon wirtschaftliche Vorteile und größeres Ansehen erhofften.
Für Jordana allerdings war mit dieser unebenbürtigen Ehe eine Standesminderung verbunden. Anzumerken bleibt noch, dass sich aus Jordanas Schloss Veitsberg die spätere Stadt Weida entwickelte, der Geschlechtername wurde zum Stadtnamen.
Als Entschädigung für die Einbuße ihrer Güter in Nordthüringen im Kampfe gegen Heinrich den Löwen verlieh Kaiser Friedrich Barbarossa den Süden der Mark Zeitz als Reichsvogtei an die Weidaer. Was hat man aber darunter zu verstehen?
Zunächst einmal war die Reichsvogtei ein erbliches Lehen und kein Amt, das mit dem Tode des Amtsinhabers endet. Deshalb führten später, nach den Erbteilungen, alle Linien der Weidaer den Titel "Vogt" (= advocatus).
Am Kürzesten kann man den Begriff jener Reichsvogtei vielleicht so definieren, dass man sie als Vertretung des Königs in der Ausübung der königlichen Gewalt auf Reichsgebiet ansieht.
Zu dieser königlichen Gewalt gehörten vor allem die Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit (= Blutbann), d.h. die Vögte konnten als Landrichter Leib- und Todesstrafen verhängen. Daneben erlangten sie noch den Besitz weiterer königlicher Regalien (= Königsrechte), z.B. Heerbann, Münzgerechtigkeit, Zölle, Geleit auf den Straßen (= Schutz gegen Bezahlung), Jagd- und Fischereigerechtigkeit, Bergwerksberechtigung, Lehensherrlichkeit über ihre Mannschaft (= sie können Lehen vergeben) und nicht zu vergessen das Bodenregal. Erst dieses Bodenregal erlaubte ihnen in den königlichen Bannwäldern zu roden und neue Dörfer zu gründen. Sie konnten dadurch ihre Hausmacht so stärken, dass sie an Besitz und Reichtum manches Grafengeschlecht übertrafen. Nicht zu Unrecht führte Heinrich II., ein Enkel obigen Erkenberts II., den Beinamen "der Reiche".
Die Weidaer nahmen also eine Mittelstellung zwischen freiem Adel und unfreier Ministerialität ein. Ihre aus der Ministerialität herausgehobene Stellung dokumentierten sie durch den Titel "Vogt" und so kam letztlich das Vogtland zu seinem Namen.
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