Nach diesem Ausflug in die Geschichte der Stauferzeit, der aber doch den historischen Hintergrund unserer Urkunde aufhellt, wieder zurück zu Werner von Vogtsberg und zu seinem Geschlecht, den Vögten von Straßberg. Lange Zeit nahm man eine Verwandtschaft im Mannesstamm zwischen den Vögten von Weida und den Vögten von Straßberg an. Dies war ein Irrtum, doch lässt sich nachweisen, dass eine Jutta von Straßberg um 1238-1267 mit einem Weidaer, dem Vogt Heinrich von Plauen, verheiratet war, davon aber unten mehr. Zunächst wollen wir uns mit dem Vogtstitel derer "von Straßberg" beschäftigen.
Die Straßberger sind ein egerländisches Ministerialen-Geschlecht. Ihr Vogtstitel ist nach wie vor etwas unklar, aber aller Wahrscheinlichkeit nach lässt er sich auf eine Vogtei über Waldsassener Kirchengüter zurückführen.
Das reichsunmittelbare Zisterzienser-Kloster Waldsassen bei Marktredwitz wurde 1133 auf ehemaligem Reichsland gegründet. 1147 wurde es bei freier Vogtwahl unter königlichen Schutz gestellt und spätestens 1214 reichsunmittelbar. Das Kloster konnte seine Güter durch Rodung und Stiftungen rasch vermehren. Auch die Straßberger stifteten umfangreiche Ländereien, z.B. die Güter am Kulmberge bei Oberlosa nahe Ölsnitz, an das Kloster Waldsassen. Der Grund dürfte darin gelegen haben, dass sie in Waldsassen ihr Erbbegräbnis hatten. Was ist nun aber der Inhalt so einer Kirchenvogtei?
So ein Kloster bildete mit seinem Landbesitz, ähnlich z.B. wie eine weltliche Herrschaft, einen sogenannten Immunitätsbezirk, d.h. es übte staatliche Hoheitsrechte selbst aus, Königsbeamte durften hier nicht eingreifen. Zu diesen Hoheitsrechten gehörte die niedere Gerichtsbarkeit, die Polizeigewalt und heute würde man sagen die öffentliche Verwaltung. Einige dieser kirchlichen Immunitätsbezirke - Bistümer - erwarben später sogar die hohe Gerichtsbarkeit = Blutbann. Als Grundbesitzer und Lehensträger hatte das Kloster auch Heerfahrtspflicht zu leisten, d.h. sie hatten eine bestimmte Anzahl Bewaffnete zu stellen und zu führen.
Bistümer und Klöster galten aber für unfähig, ihre weltlichen Angelegenheiten selbstständig wahrzunehmen. Sie mussten sich einen Vogt (= advocatus -> Verwalter, Schutz- und Schirmherr) nehmen, man könnte sagen einen Geschäftsführer, der die weltlichen Belange der Kirche besorgte und dadurch eine Art Mittlerstellung zwischen Staat und Kirche gewann.
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Neben den oben angeführten Aufgaben traten noch andere, z.B. die Vertretung vor Gericht, wenn es sich um Fälle öffentlichen Rechts oder der hohen Gerichtsbarkeit handelte, für die entweder ein Reichsvogt, ein Landgraf oder ein Landrichter zuständig war. Diese Bedeutung Vertreter/Verteidiger hat das Wort Advokat ja noch heute. Außerdem war der Vogt für die Durchführung größerer Rechtsgeschäfte, wie der Erwerb oder die Hingabe von Grund und Boden, zuständig. Nicht vergessen dürfen wir auch die Schutzfunktion des Vogtes. Er hatte das Klosterland militärisch zu schützen, wenn es zu einer Fehde mit den Nachbarn kam.
Häufig sicherten sich die adligen Klosterstifter die Vogteirechte. Man sprach dann von einer Stiftsvogtei. Der Grund für solche Stiftungen lag im eigenen Seelenheil und im Seelenheil des Geschlechts. Außerdem bekam man so eine Versorgungsanstalt für unverheiratete Familienmitglieder. So stiftete z.B. die oben erwähnte Jutta von Weida geb. von Straßberg das Nonnenkloster Kronschwitz. Die Vogtei lag bei den Weidaern, die übrigens noch andere Klostervogteien innehatten.
Am 23. April 1302 stattete der ältere Vogt von Plauen seine 3 !!! im Kloster Kronschwitz befindlichen Töchter mit 4 Mark jährlicher Zinsen, die von der Mühle in Straßberg fielen, auf Lebenszeit aus mit der Bestimmung, dass nach dem Tode der Töchter der Zins an das Kloster kommen solle. Dies erhellt nicht nur die Funktion eines solchen Klosters, sondern ist auch im Zusammenhang mit unserer Urkunde interessant. Illustrieren die 4 Mark Mühlenzins doch die 2 Mark Silbers für die 3 Güter in Ölsnitz.
Nach dem 24. Juni 1329 brauchten die Vögte von Weida nicht mehr zu dem Not- und Versorgungsinstitut der Kirche Zuflucht zu nehmen. An diesem Tage bestätigte Kaiser Ludwig die Reichsvogtei und alle territorialen Rechte der Vögte. Es war sozusagen die Anerkennung ihrer Zugehörigkeit zum Adel. Die Töchter brauchten nicht mehr hinter dumpfe Klostermauern, sondern wurden standesgemäß Gemahlinnen von Adeligen. Etwa ab diesem Zeitpunkt verzichteten die Weidaer auch auf den Titel "Vogt" und nannten sich in den Urkunden "Herr". Der Aufstieg aus der Ministerialität in den Adel war vollzogen. |
Die ersten Straßberger, die urkundlich nachgewiesen werden können, sind die Brüder Eckehard und Heinrich. Sie finden sich 1194 im Gefolge Kaiser Heinrichs VI. zu Nürnberg. Heinrich ist 1209 als "advocatus" bei der Gründung des Klosters Mildenfurt zugegen. 1214 und 1215 urkundet er als Zeuge im Gefolge Kaiser Friedrichs II. bei Halle und Eger in Angelegenheiten der Klöster zu Altenburg und Waldsassen. Alle weiteren Straßberger stammen vermutlich von jenem Heinrich ab. Es lassen sich folgende Kinder urkundlich nachweisen.
Reinbot, urkundet 1232 bis 1266
Erkenbert, urkundet 1236 bis 1267
Eberhard, urkundet 1232 bis 1248, nennt sich "von Vogtsberg"
Jutta, hat 1238 minderjährige Kinder und stirbt 1268
Kunigunde ?, urkundet 1264
Emiche ?, urkundet 1264
Reinbot von Strassberg überließ 1264 Geld- und Getreidezinsen zu Tirpersdorf und Kloschwitz für billigen Preis den Nonnen Kunigunde und Emiche zu Kronschwitz. Da diese beiden die Zinsen einer Kapelle in der St. Johannis Kirche zu Plauen überweisen, weil sie dort begraben sein wollten, liegt es nahe, dass sie Reinbots Schwestern oder enge Anverwandte waren. Sicher waren Kunigunde und Emiche nicht die einzigen Straßberger Abkömmlinge, die trotz des Erbbegräbnisses im Kloster Waldsassen, in St. Johannis zu Plauen begraben waren. Möglicherweise bezieht sich Werner von Vogtsberg auch auf seine beiden Tanten (?), wenn er "zum Heil seiner Seele und der seiner Vorfahren" die Güter in Ölsnitz an St. Johannis gibt.
Die Brüder Reinbot, Erkenbert und Eberhard müssen zwischen 1232 und 1248 das Straßberger Erbe aufgeteilt haben. Reinbot und Erkenbert blieben in Straßberg, während Eberhard die Güter um Ölsnitz erhielt. Eberhard urkundete 1232 noch als "von Straßberg" und 1248 als "von Vogtsberg". Vermutlich hatte er sich da schon seinen neuen Stammsitz auf dem "Berg des Vogtes" - damals östlich von Ölsnitz, heute in der Stadt - errichtet und nannte sich nach ihm.
Namenswechsel bei Umzug waren, wie wir unten noch sehen werden, bei den Straßbergern nicht ungewöhnlich. Wahrscheinlich war Eberhard nur ein Stiefbruder von Reinbot und Erkenbert. So wäre zu erklären, warum nach dem Erlöschen der Straßberger Linie, der Vogt von Plauen als Ehemann der, von mir schon öfter genannten, Jutta von Straßberg, die Straßbergischen Güter erbte und nicht die Nachkommen des Eberhard. Aber widmen wir uns den drei Brüder jetzt einzeln.
Reinbot von Straßberg war mit einer Demudis (=Demut) verheiratet. Zwei Kinder von ihm sind namentlich bekannt, eine Tochter Ysintrudis (= Eisentraut) und ein Sohn Poppo. Doch als er 1266/67 starb hatte er keine Lehenserben. Entweder waren seine Kinder ebenfalls schon tot oder sie waren in den geistlichen Stand getreten, so dass sie lehensunfähig geworden waren. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass Reinbot eventuell eine nicht ebenbürtige Ehe geschlossen hatte. Dann konnte Poppo nicht erben. Ein Hinweis auf diese Theorie ist der Name Poppo, der sonst bei den Straßbergern und ihren Nachkommen nicht vorkommt. Auch erscheinen Demudis, Ysintrudis und Poppo als letzte in einer Zeugenliste, hinter dem Prior Heinrich von Plauen, dem Komtur Dietrich von Rastenberg, dem Ritter Markward von Mylau und dem Plauener Bürger Ramung und zwar in der letzten Urkunde des Reinbot vom 21. Oktober 1265.
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In ihr bestätigt er das Vermächtnis eines ihm lehnspflichtigen Bauern in Oberlosa an das Deutsche Haus in Plauen. Ebenfalls ein Hinweis auf die Nichtebenbürtigkeit seiner Ehe. Gegen diese Theorie spricht, dass Ysintrudis die Gemahlin des oberpfälzischen Landgrafen Friedrich von Leuchtenberg war.
Erkenbert von Straßberg hatte zwei Söhne Reinbot von Straßberg und Erkenbert von Lantecke (= Oberweischlitz) und mindestens eine Tochter Jutta. Auch hier sehen wir wieder einen Wechsel des Wohnortes verbunden mit einem Namenswechsel. Einer der beiden Brüder hatte noch einen Sohn Jordanus. Denn im Jahr 1298 ist, in einer Schenkungsurkunde der Vögtin Kunigunde von Plauen an das Kloster Kronschwitz, von der Schwester Jutta von Straßberg und ihrem Brudersohn Jordanus die Rede. Der ältere Erkenbert urkundet 1267 zum letzten Mal und auch seine Söhne müssen vor 1276 verstorben sein, da in diesem Jahr der Vogt Heinrich von Plauen das Straßbergische Erbe besaß. Daraus ist zu folgern, dass sowohl Jutta als auch Jordanus in den geistlichen Stand getreten sind und letzterer dadurch seines Rechtes der Lehensfolge verlustig gegangen ist.
Eberhard von Vogtsberg hatte vermutlich zwei Söhne. Einen Erkenbert, er urkundet von 1276 bis 1288, und unseren Werner von Vogtsberg, der sich nur in unserer Urkunde von 1281 verewigt hat. Erkenbert wiederum hatte drei Söhne Eberhard, Ludwig und Heinrich und mindestens eine Tochter. Denn am 1. Januar 1302 stiften die drei Brüder Zinsen in Ölsnitz an das Kloster Kronschwitz für die an diesem Tage in das Kloster eintretende Schwester. Eberhard, Ludwig und Heinrich urkunden bis 1322 und zwar immer als Lehensleute der Wettiner. Danach taucht der Name "von Vogtsberg" nicht mehr auf. Die Familie war aber damit keinesfalls erloschen. In einer Urkunde von 1317 ist von Eberhard dem Älteren die Rede, es muss also auch einen Jüngeren gegeben haben.
1366 quittiert ein Hans von Raschau dem Burggrafen von Nürnberg Sold- und Schadensgelder und siegelt mit dem Siegel seines Vaters Eberhard von Vogtsberg. Ob Hans von Raschau nun Sohn des älteren oder jüngeren Eberhard war, bleibt ungeklärt. Hier liegt also mit dem Wechsel des Wohnortes wieder einmal ein Namenswechsel vor. Die Vogtsberger müssen zwischen 1320 und 1327 ihr Schloß Vogtsberg verkauft haben. 1327 kaufte es jedenfalls der Vogt von Plauen von einem Otto von Bergau. Auch führten die Raschauer fast unverändert das Straßberger Wappen.
In den letzten zwei Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts finden wir einen Eberhard von Raschau mit seinen Kindern und einen Hans von Raschau auf ihren Gütern im Dorf Raschau: Würschnitz, Burkhardtsgrün, Schönbrunn, Görnitz und Triebel. Allerdings waren sie jetzt nur noch einfache Dienstmannen der Wettiner. Von ihrem fast adeligen Stand als Reichsministeriale war nichts mehr übrig. Erbteilungen, zahlreiche Klosterstiftungen und das politische Umfeld, d.h. der Machtappetit der Großen, wie der Vögte von Plauen, der Burggrafen von Nürnberg und des Landgrafen von Leuchtenberg waren die Ursache des sozialen Abstiegs. Die Familie "von Raschau" zog um 1401 ins Osterland, wo sie sich noch bis zum 19. Jahrhundert nachweisen lässt.
Neben den "von Raschau" muss es noch andere Vogtsbergische Abkömmlinge gegeben haben. Denn im Egerland siegelte eine Familie "von Kottenplan" mit dem Vogtsberger Wappen. |